Während auf dem Schiff die Entladearbeiten in vollem Gang sind, beratschlagt das Triumvirat über den Plan des Tages. Da wir einen ganzen Tag Landgang in einer eher interessanten Stadt zur Verfügung haben, war die große Stadtbegehung geplant: zu Dritt (Achim, Bram, ich) ein Taxi mieten, englischsprachigen Fahrer und dann zwei drei Stunden durch die Gegend fahren lassen. Aussteigen, wo es schön ist, knipsen, wieder rein und so.
Fiel aus wg. inkompatibler Sprachmodule. Es gibt scheinbar Sontags morgens und 10 Uhr in Valparaiso keinen Taxifahrer, der Englisch spricht. Es reicht in der Mehrheit nicht einmal, die Frage “Do you speak english” gestümpert zu beantworten. Von “No, I don’t” wollen wir mal gar nicht reden schreiben. Und jemanden anrufen, der jemanden kennt? Scheinbar nicht.
Also stehen wir auf dem Platz mit dem Soldatendenkmal rum, gehen zum Porttor zurück (in der Hoffnung, dort jemand zu finden, der einen kennt, der…), trennen uns, ich halte an der Hauptstrasse Taxen an und teste die Englischkenntnisse. Bram wird langsam ungehalten (“So wird das nie was, wenn du das Nivau so hoch legst.”) und Achim würde das alles zu Fuß erledigen wollen. Was weder Bram noch ich wollen.
Also gucke ich so rum und sehe eine Feuerwehr samt -haus. Hmmmm. Feuerwehr. Ist vielleicht wie Kindergarten und Sauerkraut. Mal ein Foto machen. Wir stehen weiter rum. Feuerwehr. Könnte man ja mal hingehen, weil da steht ein Feuerwehrmann. Vielleicht weiss der was.
Überraschung. Heimatliche Ansprache. Wir stehen von der deutschen Feuerwehr Valparaisos. Und er kennt einen Deutschen, Michael, der Stadtführungen macht. Kurzes Telefonat, irgendwie ist Michael plötzlich da und schlägt vor, die Stadt zu Fuß per Rundgang zu besichtigen.
Wir klären noch die Sache mit der Fußfaulheit und schon geht es in gemächlichem Schlendergang durch die Stadt.
Michael erzählt und erzählt, mehr und mehr über Tote und Lebende, die dieses oder jenes Haus gebaut, verkauft, umbenannt, bei diesem oder jenem Erdbeben (immerhin vier in hundert Jahren) verloren oder beim Ende des Salpetergeschäfts verlassen haben. Von Kegelbahnen, Schulen, Friedhöfen, vom Aufstieg und Fall Valparaisos. Ich höre schon lange nicht mehr richtig zu, aber der Rundgang gefällt: pfiffig mit einem der 15 Fahrstühle nach oben und dann langsam über mehrere Wege wieder nach unten. Das war völlig OK so. 10 Euro/Person. Gerne, Michael.
Dann, am Ende durch das ärmere Viertel am Hafen, “Hier haben sie mir schon mal meine Brieftasche geklaut” sagt der Führer. Und ich sage “und hoffentlich war nichts wertvolles drinne…” und drehe meine Cruplertasche vor den Bauch.
Dort, im Armenviertel, den Fahrstuhl nach oben auf einen belebten Aussichtspunkt. Knipsen, knipsenden Menschen, Andenkenbuden. Aber eine herrliche Aussicht auf den Liegeplatz und Valparaiso. Oben in dem, ähm, Restaurant Cafe Arte Mirador aus einer übersichtlichen Speisekarte bestellt, die wir nicht lesen können. Essen in leicht falschen Reihenfolge (Wie bringe ich dem Kerl bei, dass ich gerne einen Cafe Schokolade vorweg möchte?), aber gut und 32 Dollars für Drei. Kreditkarte? Ein Schmunzeln geht über sein Gesicht, angesicht seines Sessels wird ihm das Wort Gewerbeaufsicht oder Gesundheitsamt wohl auch nichts sagen. Aber das Essen war OK. Wobei es bei der Aussicht auch Milchreis hätte sein können. Nichts gegen Milchreis.
Valparaiso hat was von Venedig. Nein, natürlich nicht das Wasser. Nicht die fehlenden Radfahrer. Nein, der Charme des Verfalls. Gelegentlich herausgeputzt und hübsch, aber oft fehlt die pflegende Hand.
Auf dem Rückweg im gefährlichen Viertel einen Supermarkt gefunden, rein, eine Sahnetorte gekauft. 3990 Dingens von den Dingern, mit denen man in Chile bezahlt. Alternativ durch 520 teilen, dann kommen Dollars raus und das wieder durch 1,3 teilen, dann kommen Euros raus. Alles sehr beschwerlich, Supermarket nahm mein Plastikgeld (die zwei Kassierer aufmerksamst begutachteten, allerdings nur die Vorderseite und den lustigen Perso), so soll das sein. Nur die 200 Dingens an den Fahrstühlen, die hätte ich so nicht bezahlen können.
Gerade steht Bram in der Tür, schlägt sich mehrfach an den Kopf, guckt begierig auf meine Flasche Alkohol unbekannter Sorte (ich habe einfach mal was im Laden mitgenommen gekauft) und beichtet: Speicherkarte hat nicht richtig in der Kamera gesteckt. Keine Fotos. Von der ganzen schönen Strecke. Das ist eine bittere Lehrstunde, um die Kameraeinstellung für “nicht ohne Speicherkarte auslösen” umzustellen. Dafür habe ich heute den ganzen Tag mit Spotfokus geschossen, was auch allerlei Unscharfes produzierte. Dumm gelaufen.
33° 1,992’ S 71° 37,551’ W (17ft)